IN DEN WOLKEN
Woran ich merke, dass mein Leben sich drastisch geändert hat? Ich weiß nicht, was ich aktuell davon halten soll, hier in diesem Hotel zu sitzen. Früher habe ich es geliebt. Unterwegs sein, neue Hotels in neuen Orten. Eine Wundertüte der Erlebnisse gepaart mit neuen Impressionen, Menschen und Momenten. So zumindest in meiner Erinnerung. Die Wahrheit liegt hinter einen Nebelwand, in einem Maislabyrinth verborgen. Die einzige Zeugin? Vermeintlich eine Sonnenblume…
Oh wie besessen war ich damals. Ein neues Leben, in einer neuen Stadt und ein neuer Job. Spannend, umfangreich und begeisternd. Mit der Aussicht auf Erfolg im Gepäck habe ich alles gemacht, was ich für erforderlich erachtet habe. Bis in die späten Stunden gearbeitet, in anderen Bundesländern unterwegs gewesen und mir die Freizeit geopfert, um ENDLICH mal jemand zu sein. Oh, du dachtest, ich wäre schon immer so gewesen, wie ich heute bin? Süß, aber nein.
Wenn du diesem Blog aufmerksam folgst, wirst du dich sicherlich daran erinnern, dass ich das ein ums andere Mal bereits durch das Kaleidoskop habe blicken lassen, hinter dessen farbenfroher Scharade sich ein Teil meiner Persönlichkeit bewegt. Die Wahrheit hinter all dem? Ich war nie jemand. Ein Mensch, ja. Eine Person, die Dinge erlebt hat, die von Dingen und Menschen geprägt wurde. Sicherlich. Eine Person, die durch Zufall und Unwissenheit Menschen nah war, die „jemand“ waren. Doch ich war nie eine Person, die ich als „vermissenswert“ erachten würde. Vermutlich ist das auch heute noch der Fall. Hinter all den oberflächlichen Bekannt- und Liebschaften meines Lebens verbirgt sich nur ein Kapitel in der Geschichte anderer Menschen. Dies soll kein Text des selbstbedauerns, sondern des Bewusstseins werden. Aus der Zeit, in der ich unsicher und taumelnd durch die Welt lief, bis hin zu dem Moment an dem ich entdeckte, dass die Welt so viel grausamer ist, als das ich es jemals hätte erahnen können… Bis heute? In all dieser Zeit hatte ich selten das Gefühl, dass ich vermisst werden würde. Die Kontakte die ich dieser Tage pflege sind oberflächlich, oft ohne Tiefsinn und vielleicht manchmal nur einer gesellschaftlichen Notwendigkeit geschuldet. Unweigerlich fällt mir auf, dass dieser Text eine gewisse Melancholie suggerieren könnte, jedoch kann ich dir versichern, dass dies nicht so ist.
Die Dinge sind einfach, wie sie sind. Um meinen Ausflug fortzusetzen… Ja, ich habe mir immer den Arsch aufgerissen. Um endlich mal „jemand“ zu sein. Jemand, der endlich aus seinen Schulden rauskommt. Jemand, dessen Namen man kennt. Jemand, der die Massen bewegt. Ein Wunsch aus den Schatten zu treten. Bedenkt man, wieviel Zeit ich in meinem Leben damit verschwendet habe? Ja, es darf einem bange werden. Wenn nun jedoch ein Bedauern seine Wehklage singt, dann jene, dass ich durch all diese Gedanken nie die Chance hatte mich selber zu definieren und zu entfalten. Das letzte Jahrzehnt habe ich versucht mich in eine Form zu pressen, in die ich einfach nicht passen wollte. Immer wieder auf dem Hochseil balancierend und in den Abgrund schauend. Aus Angst, dass etwas passieren könnte. Trotzdem bin ich nicht gefallen… Warum auch?
Wenn ich nun heute in diesem Hotelzimmer sitze, kommen mir die Erinnerungen wieder, die ich garnicht aktiv gespeichert habe. Und verdammt, ich habe ein absolut destruktives Leben geführt. Alkohol, Feiern, Abwesenheiten – Ich habe mein gesamtes Bewusstsein auf Autopilot gestellt und Ventile gesucht, die mir mehr geschadet als geholfen haben. Ich bin unter der Last des alltags müde und fett geworden, vom Leben und seiner Schönheit satt. Doch all diese Elemente begleiten mich aus einer perfiden Notwendigkeit noch heute. Ginge es nach mir, würde ich mir einen ruhigen und überschaubaren Job suchen. Würde mich dem Schreiben und Podcasts widmen. Eine Wohnung im freien, irgendwo inmitten eines Waldes suchen und mich vom Alltag entgiften. Mich selber ausleben und die Ruhe in mich einziehen lassen. Fernab dieser Betäubungen und fernab der Gefahr, sich auf etwas einzulassen, dass einen mit langen, finstren Klauen in die Besenkammer zieht.
Bedenke ich das geschriebene, bedaure ich die letzten Jahre. Zutiefst! All die Momente die ich habe verstreichen lassen, Emotionen die kaltgestellt wurden und all diese kleinen, flüchtigen Momente, die solche geblieben sind, trotz ihres Potentials mehr zu sein. Ich hatte nur meine Ziele im Sinn. Jemand sein und seine schulden dadurch los sein.
Randnotiz: Mir fällt die Kryptik durchaus aus, jedoch möchte ich, um Herleitungen zu erschweren / zu vermeiden möglich unkonkret bleiben.
Ich habe momentan nur ein Ziel und einen Traum. Ich möchte diese Schulden endlich los sein und mein Leben frei gestalten und bestimmen. Wer mich kennt, der weiß um meine Einstellung zu Kompromissen… Bin ich jedoch ehrlich, gehe ich jeden Tag auf’s neue welche ein.
Versteh mich nicht falsch. Ich heile. Die letzten 4 Jahre mehr denn je, aber ich heile noch immer. Ich lerne den Duft des Tages neu kennen, entdecke die Gänsehaut beim Anblick von kleinen Eulen, erheitre mich am Gedanken, dass ein Mensch sich an dem Anblick einer Sonnenblume erfreuen kann und erquicke wohl dem Wissen, dass mit all dem was ich gesagt und / oder geschrieben habe, ein Mensch sich besser fühlt. Dieser Tage geht es mir gut. Nicht perfekt, aber nah dran! Ich liebe mich! Und ja, auch die Person die ich bin unablässig der Tatsache, wer ich gewesen bin. Ein erfreulicher Fakt ist, dass ich mich auf eine Art und Weise kennengelernt habe, die mir schon fast fremdlich weit weg erschien. Ich habe gemerkt, dass mein Herz so viel Liebe zu empfinden im Stande ist, für die verschiedensten Sachen oder Menschen…
… Und doch ist da noch immer diese kleine Kette am Fuß, die ich nicht sehen, geschweige denn durchtrennen kann. Ich glaube, ich sollte zu gegebener Zeit noch mal einen Eintrag verfassen, der diesen Dialog weiterführt. Doch für den Moment muss es reichen.
Nun stellt sich aber etwas ein. Ein Bewusstsein. Eine Erkenntnis. Damals habe ich es nicht geliebt in Hotels und unterwegs zu sein. Sicherlich, ich bin ein Kind des fahrendes Volkes, jedoch habe ich irgendwann diese kleinen Triebe, welche sich als Wurzeln andeuten, lieben gelernt. Ich habe es nur geliebt, dass mir die Chance gegeben wurde zu fliehen. Ich habe die Chance geliebt, für das, was ich an Leben aufgeben, finanziell abgesicherter zu sein. Ich habe es geliebt dieses Gefühl des fremden Menschen in einer fremden Stadt zu erleben. Doch am Ende habe ich es niemals geliebt, nie da zu sein, wo ich das Gefühl hatte sein zu wollen. Doch so ist es nun einmal mit dem Fernweh… Es treibt uns immer dorthin, wo wir nicht sind. Und wenn man Heimweh nicht kennt, kann es eine lange, beschwerliche Reise werden.
Ja, mir ist klar, dass dieser gesamte Text einen gewissen Beigeschmack hat. Bin ich die Person, die du kennenlernen willst? Oder haben dich diese kleinen, noch wenig brisanten Details schon verschreckt? Keine Sorge, hinter jedem Schlagloch wartet bereits ein Abgrund, doch dahin will ich dich garnicht führen. Nur ein Wort der freundlichen Warnung: Es ist mir wichtig, dass ich eben auch diese Gedanken teile. Diese Momente festhalte, ich denen ich imstande bin etwas zu erkennen, etwas zu lernen oder auch etwas gelernt zu haben. WOhl wissen, dass hinter jedem Buch ein Autor steckt, der eine eigene Vita sein eigen nennen darf.
Für den Moment, alles gut!