[Lyrik] Im Kreis der Steine
Im Kreis der Steine atmet die Welt,
wie eine Wunde, die nicht mehr blutet,
doch in den Adern noch das Echo hält
von allem, was sie einst vermutet.
Die Palisade steht, verwittert, treu,
ein Wächter alter, zarter Schwüre,
von Hand zu Hand, von Herz zu Neu,
vom Fall ins Licht, vom Sturm zur Ruhe.
Zwischen den Pfosten, wo Schatten ruh’n,
tanzt leises Moos auf kalten Kanten,
und Schmetterlinge, matt im Tun,
vergessen kurz ihr stetes Wanken.
Ein Blick, so wahr, dass jedes Wort
verstummt in seiner sanften Klarheit,
durchdringt das Jetzt, trägt mich hinfort,
entblößt mich ohne jede Wahrheit.
Denn er sieht — nicht das Gesicht,
nicht Hülle, Haut, noch falsche Masken,
er sieht das flackernde Gewicht,
das Seelen tragen, wenn sie wachsen.
Und meine Seele, müd und scheu,
wie eine Feder im Vergehen,
wird plötzlich warm, fast neu, fast treu —
weil ihre Schwingung wird gesehen.
Da steht sie, jene ferne Hand,
nicht greifend, sondern still bereit,
wie sanfter Tau im fernen Land,
der sich auf alte Steine legt, so weit.
Ich atme — nicht mehr gegen mich,
nicht gegen Wind, nicht gegen Zeiten,
ich atme für das Gleichgewicht,
das Seelen heimwärts will begleiten.
Die Dunkelheit ist kein Gericht,
sie ist der Grund, auf dem wir stehen.
Aus ihr erhebt sich sanft das Licht,
um uns im Innern zu versehen.
Und jede Mauer, jeder Wall,
die Palisade meines Zweifels,
zerfällt in Staub, so lautlos, schmal —
und wird zum Keim des Überbleibens.
Die Steine kreisen, flirren, glüh’n,
wie Atemzüge alter Lieder.
Ich seh, wie Hoffnung sich bemühn
und legt sich auf die Stirn — schon wieder.
Da find ich mich, im Kreis aus Stein,
der mich umfängt, doch nicht mehr hält.
Die Angst fällt fort, das Herz ist rein,
die Welt — sie brennt in sanftem Feld.
Und wer mich sieht, sieht sich zugleich,
in jener stillen Offenbarung.
Denn jede Seele, leer und weich,
trägt Licht in ihrer Wiederfahrung.
So endet Nacht nicht mit Verlust,
sie endet, wenn wir’s Dunkel ehren,
und aus dem Schmerz — in sanfter Lust —
die Sehnsucht wieder atmen lehren.
Ich bleibe stehn. Der Wind verweht.
Die Palisade sinkt in Ruh.
Ein Blick genügt — und alles steht.
Und du — du siehst mich, endlich — du.