Der Tanz zwischen Wollen und Können

Es ist dieser Tanz zwischen dem Wollen und dem Können. Zwischen dem Bedürfnis, Teil der Welt zu sein – und dem unbändigen Wunsch, ihr endlich zu entfliehen. Zwischen der greifbaren Hand, die nach Nähe sucht, und der inneren Stimme, die flüstert: Bleib fern. Noch ein Stück. Nur heute.

Ich habe mein Leben lang getanzt. Nicht im Takt der Musik, die mir gefiel, sondern zu den Melodien anderer.
Ich habe mich gedreht, bis mir schwindelig wurde, nur um zu gefallen. Ich habe gelächelt, während meine Gedanken längst in Schluchten wanderten, in die kein anderer folgen wollte. Ich habe Menschen geheilt, Worte gefunden, Trost gespendet – und dabei jedes Mal vergessen, dass meine eigenen Hände wund waren vom Tragen all der fremden Scherben.

Die Welt drehte sich weiter. Sie hat nie innegehalten, nicht einen Augenblick. Selbst dann nicht, als meine Achse brach und ich versuchte, den Bruch zu verstecken, als wäre er bloß ein feiner Riss im Lack. Ich redete mir ein, dass es gut sei. Dass Geben immer edler ist als Fordern. Und vielleicht war es das auch – bis das Geben mich leer machte, bis meine Stille lauter wurde als jedes gesprochene Wort.

Dann kamen die Reklamationen. Menschen fragten, warum ich plötzlich nicht mehr greifbar war, warum ich keine Antworten mehr hatte, warum meine Nachrichten nicht mehr mit der gewohnten Wärme klangen. Ich hätte ihnen gerne erklärt, dass meine Worte nie verschwunden sind – sie sind nur schwerer geworden. Zu schwer, um sie leichtfertig in die Welt zu werfen.

Irgendwann begann ich, mich in meinen Gedanken zu verlieren – nicht aus Flucht, sondern aus Faszination. Weil die Strömungen meines Inneren ehrlicher waren als die Stimmen da draußen. Weil ich spürte, dass die Welt mich nie wirklich gesehen hatte – nur die Maske, die sie so gerne mochte.

Ich habe gelernt, dass es reicht, wenn ich gut zu mir bin. Dass es keine Schwäche ist, die Hand zurückzuziehen, wenn sie zu oft verbrannt wurde. Dass es keine Arroganz ist, der Welt zu zeigen, dass ich sie nicht brauche, solange ich mich selbst nicht verliere. Denn manchmal ist Selbstliebe kein zartes, duftendes Wort – sondern ein trotziges Überleben.

Und doch – all das Bewusstsein, all die Klarheit – es fühlt sich an wie eine Maske, die zu lange getragen wurde. Sie ist Teil meiner Haut geworden, wie ein eingewachsener Schmerz. Eitrig. Pochend. Lebendig. Sichtbar nur für mich, spürbar in jeder Berührung. Manchmal vergesse ich, wo die Maske endet und ich beginne.

„Die Welt ist in Ordnung“, sage ich mir. Und vielleicht ist sie das, wenn man den Blick senkt, die Geräusche dämpft,
und die eigenen Bedürfnisse endlich einmal lauter stellt als die Erwartungen anderer.

Es gibt Momente, in denen ich diese Isolation fast genießen kann. Wenn alles still wird, und nur noch der eigene Atem bleibt. Wenn ich mich dem hingebe, was mich ausmacht – selbst wenn es dunkel, roh und unfertig ist. Selbst wenn der Tanz nur noch hinter der Maske stattfindet, im Schatten, begleitet vom Echo eines Lebens, das stets zwischen Wollen und Können pendelte.

Vielleicht ist das der wahre Tanz des Lebens: nicht das Streben nach Vollkommenheit, sondern das stille Ringen zwischen dem, was möglich ist, und dem, was das Herz ersehnt. Ein Tanz ohne Applaus, aber mit Wahrheit in jeder Bewegung.

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