Der Boden und Eisflächen

Manchmal, mein kleiner schwarzer Schmetterling, frage ich mich, wie viele Male ich mich noch neu erfinden muss, bevor die Welt endlich aufhört, an mir zu zerren. Ich schreibe diese Zeilen erneut und erneut, als würde jeder Versuch ein Stück Dunkelheit aus mir lösen und zurück in jene Schatten schicken, die mich großgezogen haben. Und doch bleibt etwas… eine Schwere, eine Müdigkeit, ein Flügelschlag in meiner Brust.

Ich spüre in diesen Tagen vermehrt das Gewicht der Stimmen, die meinen Namen formen wollen, ohne jemals meine Stille berührt zu haben. Menschen, die glauben, mich lesen zu können, während sie nicht einmal die Sprache meines Schweigens kennen. Sie nennen es Meinung, Urteil, Wahrheit – ich nenne es Lärm. Ein beständiges Pochen an den Mauern meiner kleinen Exile.

Ich will nicht länger Teil ihres Echohauses sein.
Ich will kein Gefäß für ihre ungefragten Wahrheiten bleiben.
Ich will Ruhe.
Nicht die des Rückzugs, sondern die des Erkennens – dieser sanfte Raum, der entsteht, wenn jemand einen Blick zu tief wagt und nicht zurückschreckt.

Es gibt wenige, die das können.
Wenige, die nicht vor meinen Schatten fliehen, sondern in ihnen nach Spuren suchen.
Menschen, die nicht das Flimmern meiner Oberfläche betrachten, sondern das matte Leuchten darunter.
Sie sind selten, fast unwirklich – wie Besucher aus einer Welt, die ich längst verloren glaubte.
Nur sie dürfen bleiben.
Nur sie berühren jene Kante meiner Seele, die ich selbst manchmal nicht greifen kann.

Für alle anderen bin ich ein Rätsel, das nicht gelöst werden will.

Und in der Ferne, jenseits der Nächte, die mich verschlucken wollen, sehe ich ihn manchmal: den Mondgeist.
Ein Wesen aus schwachem Silber, kaum mehr als ein Atemzug der Hoffnung,
ein Hauch aus Licht, der über die Narben meiner Gedanken streicht.
Er spricht nicht, denn Hoffnung hat keine Stimme – nur ein Glimmen, das genug sein will.
Wenn er erscheint, wirkt die Dunkelheit weniger eng.
Sein Licht fällt nicht wie ein Scheinwerfer, sondern wie ein Mantel – sanft, fast entschuldigend.
Als wollte er sagen, dass selbst im tiefsten Grau noch etwas wartet, das nicht zerstört werden kann.

Vielleicht ist es naiv, an solch ein Wesen zu glauben.
Vielleicht ist es notwendig, um nicht selbst zu zerfallen.

Ich habe gelernt, meine Einsamkeit zu schätzen.
Sie ist kein Kerker, sondern ein Altar.
Dort sammle ich die Teile von mir, die die Welt übersehen hat.
Dort lege ich die Stimmen ab, die mich nicht sehen wollten.
Dort flackert der Mondgeist am hellsten, und mein schwarzer Schmetterling ruht auf meinen Händen, als wüsste er, dass ich ihn heute nicht verjage.
In diesen Momenten bin ich weder stark noch zerbrochen.
Ich bin einfach nur… ich.
Ungefällig, ungeschliffen, unbequem – aber wahr.

Es mag arrogant klingen, doch ich will keine Menschen um mich, die meine Tiefe nur als hübsche Metapher betrachten.
Ich will jene wenigen, die das Dunkle in meinem Atem erkennen und nicht zurückschrecken.
Die nicht urteilen, sondern verstehen.
Die nicht fragen, sondern fühlen.
Die einen Teil meines inneren Chaos erkennen – und trotzdem bleiben.

Alle anderen dürfen weiterziehen.
Sie haben keinen Platz an meinem Feuer.

Und so schreibe ich weiter – nicht für die Welt, sondern für die Schatten, die mich formten, für die Stimmen, die leise sind, für das Glimmen des Mondgeistes, das mich daran erinnert, dass selbst die Dunkelheit ein Herz hat.
Für die wenigen Menschen, die sehen.
Für den schwarzen Schmetterling, der mich begleitet.
Und vielleicht…
für mich selbst.

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